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“… in seinem eigenen Buch lesen, in dem Buch, das man selber ist, in seinem Lebensbuch.” (Raphael Doko Triet)

Kusen

Freitag Morgen, 07:30 Uhr, 2. November 2018

Strecken Sie gut den Nacken und ziehen Sie das Kinn zurück. Mit dem höchsten Punkt des Schädels gegen den Himmel stoßen. (Ein schwieriger Zen-Schüler, der aus anderen Dojos weggeschickt wurde, weil er Ärger machte, aber den Weg gehen möchte, versucht es bei uns.)

Denken Sie da doch einmal an Meister Sosan.

Meister Sosan – es ist sehr lange her, er war der erst dritte Patriarch nach Bodhidarma in China – hatte die unglückliche Situation, dass er zeitweise allein praktizieren musste.

Da hat er sich so ein eisernes Teil auf den Kopf gelegt, und sowie er aufgehört hat, den Nacken zu strecken und den Kopf gerade zu halten und das Kinn zurückzuziehen, ist das Ding heruntergefallen. Und ich sage jetzt nicht, wo es hingefallen ist …

Angeblich kann man diese Art eisernen Hut im Museum in Sojiji noch sehen. Das erzählte Michel.

Also, wenn so etwas bei Ihnen herunterfallen würde, dann sitzen Sie nicht in der richtigen Haltung.

Wenn Sie die richtige Kopfhaltung einhalten möchten, und es will nicht gehen, dann müssen Sie die Stellung Ihres Beckens verändern. Das ist der Schlüssel,  der Angelpunkt der Haltung.

Dass die Position des Kopfes das Gehirn und die Gedanken beeinflusst, das leuchtet jedem ein.

Das ist so.

Es heißt – Sie wissen es –, wenn man die Stirn nach vorn sinken lässt: das macht traurige Gedanken. Traurig, selbstmitleidig. Das nützt nichts.

Ich war ja grade in Spanien, in dem Zen-Tempel La Morejona, auf Japanisch Seikyuji.

Seikyuji hieß der Tempel von Meister Deshimaru in Japan, und mein jetziger Meister, Meister  Doko, dessen Wirkungskreis in Spanien liegt, hat ihm zu Ehren den Tempel so genannt.

(Doko heißt wohl „Licht des Weges“, ich werde ihn gelegentlich fragen, ob das so ist.)

Bei der Olivenernte im Herbst, – denn früher war der Ort doch einmal eine Olivenplantage – , da ist die Teilnahme sehr erschwinglich. Vielleicht möchten Sie eines Tages auch einmal mitfahren, wie Sonja.

Dieses Jahr, das ist sehr interessant, gab es ungeheuer viele Oliven.

Doppelt so viele wie in anderen Jahren. Mehr als doppelt so viel.

Gewiss, dieses Jahr hat es in Spanien für deren Verhältnisse viel geregnet, aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb es viele Oliven gab.

Zufällig war in der Zeit der Olivenblüte nicht viel Wind, so sind die Blüten nicht verweht worden. Es sind also mehrere Dinge zusammengekommen, wie immer im Kosmos, damit es zu den vielen Oliven kam.

Frisch gepresstes Olivenöl ist richtig grün und fast dickflüssig. Es schmeckt ziemlich herb. Das muss man mögen, ich persönlich mag es, und es wird im Lauf der Zeit milder.

Obwohl ich eine schlechte Nachricht bekam, die ich mir einbauen musste, war es ein sehr schöner Aufenthalt. Sehr gute Zazen, sie haben dort auch ein sehr schönes großes Dojo.

Ich sitze immer gern hinten, an der Schmalseite unterm Fenster. Wenn man ausnahmsweise im Zazen einmal kurz den Blick hebt, dann ist da rechts eine große, dunkelrotblühende Bougainvilea.  Und das Licht und die Farben sind sehr schön.

Außerdem ist es still, je nachdem, was man als Stille bezeichnet, denn da sind sehr viele Vögel, die einem ein Morgenkonzert vorsingen.

Ich bekam erzählt, als die spanische Sangha die leerstehende Farm vor Jahren übernommen hatte, da waren keine. Die Vögel kamen erst, als es wieder bewohnt war.

Mit der spanischen Sangha kommt man ausgesprochen gut aus.

Das sind nette, sehr soziale Leute. Sie können teilen und denken an die anderen. Es sind auch Portugiesen dabei. Eine Portugiesin wird in ein paar Monaten nach Berlin ziehen, weil hier schon ihre Tochter ist, und zu uns ins Dojo kommen.

Außerdem war da die schönste Frau, die ich aktuell kenne. Und die heißt doch wirklich, na wie heißt sie? Sie heißt tatsächlich Helena. Da sagt man sich schließlich : Kein Wunder, das mit dem Trojanischen Krieg, das lässt sich ja nachvollziehen. (Leises Lachen…)

Außerdem sind da zwei deutsche Nonnen, Lili und Claudia. Die eine lebt in der kleinen Stadt nebenan. Die andere zeitweise sogar im Tempel, das heißt, wenn man etwas nicht versteht, kann man immer fragen.

Und wie war die Unterweisung?

Man soll in seinem eigenen Buch lesen, in dem Buch, das man selber ist, in seinem Lebensbuch. Man soll keine vorgefassten Formeln übernehmen, sondern sich sein eigenes Leben, seine eigene Praxis angucken. Zen studieren, heißt sich selbst studieren. Sich selbst studieren, heißt sich selbst vergessen. Sich selbst vergessen, heißt bestätigt werden vom ganzen Kosmos.

Stille …

Wenn Sie dauerhaft fortfahren, sich um die Haltung nicht etwas zu bemühen, dann müssen Sie auf dem Gaitan sitzen.

Das haben Sie sicherlich nicht bedacht, dass das auch störend für die anderen ist, wenn einer dabeihockt, der immer mit krummem Buckel den Kopf nach vorne hängen lässt.

Korrigieren Sie die Stellung Ihres Beckens. Wechseln Sie eventuell das Zafu.

Kaijo!

Keine Trommel, nur das Holz bitte. Es ist ein bisschen spät. Wir singen Daisai Gedapuku, Jiho san shi und sagen „Ohaiyou Gozaimasu !“

Olivenernte in Spanien …