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Was ist Zen?

Zen geht auf die Erfahrung des Buddha Shakyamuni zurück, der im sechsten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in Indien lebte. Er verwirklichte nach langen Jahren des vergeblichen Suchens die Erweckung in der Dhyana-Haltung (Zazen-Haltung). Diese Erfahrung wurde seitdem ohne Unterbrechung von Meister zu Schüler weitergegeben.

Nach 800 Jahren, in denen sich die Lehre in Indien ausgebreitet hatte, brachte sie der Mönch Bodhidharma nach China. Unter dem Namen Ch’an fand sie im ganzen Land große Verbreitung. Der japanische Mönch Dogen brachte das Zen im frühen dreizehnten Jahrhundert von China nach Japan.

Meister Dogen wurde der Begründer der Soto-Schule des Zen. In der Folge wurde die japanische Kultur nachhaltig vom Zen geprägt.

Im zwanzigsten Jahrhundert begann man sich in Europa für den philosophischen Aspekt des Zen zu interessieren: Man lernte das Zen durch die Vermittlung der Kampfkünste, der Malkunst, der Poesie, der Philosophie kennen. Doch blieb die eigentliche Essenz des Zen – die überlieferte Praxis – lange Zeit nahezu unbekannt.

Das änderte sich gegen Ende der sechziger Jahre. Meister Kodo Sawaki hatte in Japan der Zen-Praxis neue Impulse gegeben. Nach Kodo Sawakis Tod kam sein Schüler, Taisen Deshimaru, nach Europa, um im Westen das Zen zu unterweisen. Mit großem Erfolg: auf seine Mission gehen heute über 200 Zen-Dojos und -Gruppen in ganz Europa zurück.

Zazen ist die entscheidende Praxis des Zen: in der richtigen Haltung sitzen, auf die Körperhaltung konzentriert, die Atmung ruhig, der Geist frei. Zazen ist nichts anderes als die Rückkehr zum Normalzustand von Körper und Geist. Zazen ist ursprünglich die Haltung des Buddha, durch die er die völlige Befreiung erlangte, die höchste Weisheit und die wahre Freiheit. Diese Praxis des Zen wurde während über 2.500 Jahren von Meister zu Schüler weitergegeben. Zwar hat sich das Zen innerhalb einer der ältesten Traditionen der Menschheit, dem Buddhismus, entwickelt, doch ist die Essenz seiner Botschaft von universeller Bedeutung.

 

„Unser Leben ist kurz, begrenzt, wie die Blasen auf der
Oberfläche des Flusses. Es ist wichtig, die Dinge
vom Standpunkt des Flusses aus zu betrachten
und nicht nur von dem der Blase.“

Meister Taisen Deshimaru 

Zen und Christentum

Hier folgt demnächst ein Link auf einen Text zum Thema „Zen und Christentum“.

Anfänger sein

Anfänger werden im Zen traditionell schlecht behandelt. Die meisten werden irgendeine Version der Geschichte kennen, wie ein Anfänger zu einem Zentempel kam, um Aufnahme bat und abgelehnt wurde. Da es aber wirklich sein tiefer Wunsch war, Zen zu praktizieren, setzte er sich bei Regen und Kälte in den Tempelgarten und übte dort Zazen. Ich glaube, er bekam dann noch regelmäßig einen Eimer mit Wasser – oder Schlimmerem – übergeleert, bekam selbstverständlich nichts zu essen, musste für seinen Platz im Garten noch bezahlen, wurde ganz und gar herausgeworfen und übte dann vor dem Tor usw., hielt alles durch, bis seine Standhaftigkeit die Mönche überzeugte und er schließlich aufgenommen wurde.

In alten Zeiten hatte das einen praktischen Sinn gehabt. (Übrigens hat im Zen vieles nur einfach einen praktischen Grund, wo ein Anfänger sonst was hinter vermutet.) Damals suchten viele die Aufnahme in einem Zen-Tempel nur deshalb, um ein Dach über dem Kopf zuhaben und versorgt zu sein, und nicht, um den Weg zu suchen. Deshalb wurden Anfänger erst „getestet“, dies aber nicht allein deshalb, um Schnorrer abzuhalten, sonder auch, um Träumern klar zu machen, daß der Zen-Weg oft kein Zuckerlecken ist, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihren Entschluss zu überprüfen und sie eventuell vor etwas zu bewahren, dass ihnen in Wirklichkeit doch nicht liegt. So ungefähr.

Heutzutage ist es selten, daß jemand zum Zen kommt, um ein Dach über dem Kopf zu finden. Dennoch kommen auch jetzt einige aus anderen Gründen, als wegen der Suche des Weges …

Man darf sich die Sache aber jetzt nicht so vorstellen, als gebe es etwa eine Übereinkunft oder Unterweisung der älteren Schüler, Anfängern mit Absicht die Hölle heiß zu machen, um sie zu testen. Es passiert sozusagen unbewusst, automatisch und natürlich. (Es gibt allerdings auch keine Übereinkunft oder Unterweisung der älteren Schüler, Anfänger speziell mit Samthandschuhen anzufassen.)

Einem Anfänger, der eine spezielle Frage stellen möchte, die ihm sehr wichtig erscheint, ist selten bewusst, daß der betreffende ältere Schüler diese Frage zum ungefähr fünfzigsten Mal hört. Ihm mag ebenfalls nicht bewusst sein, dass es nicht der allerpassendste Augenblick ist, beim Küchen-Samu, wenn die Kartoffeln kurz vorm Überkochen sind, nach dem Unterschied zwischen Soto und Rinzai zu fragen. Auch haben Anfänger selten einen Begriff davon, dass die älteren Schüler im Tempel meistens viel arbeiten müssen, während ihr eigener Rhythmus viel lockerer ist. Es kann eine raue Geduldsübung sein, wenn man gerade einmal zwanzig Minuten Zeit hat, bevor man wieder etwas tun muss, und ausgerechnet dann packt ein Anfänger seine Chance am Schopf und löchert einen, warum Meister Deshimaru eigentlich nicht älter geworden ist, wenn er doch ein Meister war … Auch die Situation, dass man vielleicht nach Tagen dazu kommt, ein wichtiges Gespräch zu führen und dann schaltet sich ein Anfänger ein, und sprengt es, weil er wissen muss, warum ein Kimono schwarz sein soll, wo andere Farben doch ein viel positivere Schwingung haben, ist jedem alten Schüler nur zu gut bekannt. Dem Anfänger ist der Tempel voll mit Fettnäpfchen! Und so holt er sich häufig eine Abfuhr … Seinen Platz in der Sangha muss jeder selber finden, er kann einem nicht gegeben werden, und naturgemäß dauert das seine Zeit und ist nicht immer ein Vergnügen. Auch im Zen sind Lehrjahre keine Herrenjahre und es ist noch kein Zen-Meister vom Himmel gefallen.

Was nun unsere Schule betrifft, so kommt hinzu, daß Meister Deshimaru, als er das Zen nach Europa bringen sollte, es nun einmal nach Frankreich, d.h. zunächst nach Paris gebracht hat und nicht nach Düsseldorf, Ulm, Flensburg, Garmisch Partenkirchen, Erfurt, Frankfurt, oder Castrop Rauxel. Der Tempel ist in Frankreich, die meisten Godos sind französichsprachig, Englisch können nur wenige, Deutsch nur einer. Wir müssen uns zu weiten Reisen bequemen, eine Fremdsprache lernen, wenn wir das nicht wollen oder können, haben wir es schwerer, unseren Platz zu finden. Und selbst, wenn wir Sprachen können, müssen wir mit dem Naturell unserer französischen Sanghabrüder und -schwestern zurecht kommen, was auch nicht immer so glatt geht.

An dieser Stelle möchte ich unbedingt einen Rat wiederholen, den uns mein verehrter erster Dojoleiter, Werner Kristkeitz, vor langer Zeit gegeben hat und der heute immer noch gültig ist, auch wenn Sensei nicht mehr lebt: „Wenn ihr eine Woche frei habt und ein paar Mark erübrigen könnt, fahrt nach Paris und praktiziert dort im Dojo, im normalen Alltag. Ihr lernt die Leute besser kennen, ihr seid nicht ein Anfänger unter vielen, sondern fast so etwas wie ein Gast, man hat mehr Zeit für Euch und beim nächsten Sommercamp habt ihr Freunde, bekannte Gesichter, Leute, mit denen ihr Erlebnisse geteilt habt.“

Dieser gute Rat taugt natürlich weniger für Leute, die sich den Tempel „nur mal angucken“ wollen, sondern ist eher etwas für Leute, die fest entschlossen sind. Dabei tritt noch ein weiterer Aspekt zutage, den Anfänger nicht immer bedenken: Unsere Schule ist offen für alle, aber ganz eigentlich, so ganz eigentlich, ist sie doch mehr für Leute, die fest entschlossen sind. Und wenn man fest entschlossen ist, wird man durch alle Unbequemlichkeiten durchgehen, weitermachen, üben und lernen.